Luchsburg

Luisenburg im Fichtelgebirge - © Christoph Bücheler | MonacoTrail

Auf der Luisenburg wurde das Erkunden der Schönheiten der Landschaft auf Händen und Füßen mit zum ersten Mal zelebriert. Der Luchs wurde zur selben Zeit in seinem angestammten Refugium ausgerottet. Die aktuelle Debatte innerhalb des Jagdverbands zum künftigen Umgang mit dem Luchs hat mich an unsere kleine Erkundung der Luisenburg im Herbst 2019 erinnert. Hilft man nun den Luchsen, die Landschaft wieder zu besiedeln oder nicht?

(28.10.2019) Das Felsenlabyrinth „Luisenburg“ bei Wunsiedel ist ein bekanntes „Must-See“, heute hauptsächlich wegen seines Freilichttheaters, das die Kulisse der Felsenlandschaft nutzt. 
Das für mich Besondere: hier ist einer der Orte, an denen Wandern und Naturgenuss, wie wir sie heute pflegen, quasi erfunden wurden, im Geist einer bürgerlichen Aufklärung. Es war eine Gesellschaft von wohlhabenden Bürgern Wunsiedels, die den Felstrümmerhaufen im Bergwald unter dem Burgstein, der damals Luchsburg hieß, als Ausflugsziel entdeckte und mit Wegen erschloss, ab ca. 1790. Wenige Jahre vorher war es sozusagen in Mode gekommen, sich draußen im Freien, gar in der freien Landschaft auf eigenen Beinen und zum bloßen Zeitvertreib fortzubewegen. Was vorher schreckliches Gebirge war, wurde als pittoreske Natur entdeckt. Vorher unerreichbare Felstürme wurden als Aussichtspunkte zugänglich gemacht, hier und dort Lauben zum geselligen Aufenthalt installiert. Malerische Landschaft wurde nun zur Erbauung und als Freizeitvergnügen besucht und konsumiert. Alles, was heute touristisch im übergroß landschaftszerstörenden Ausmaß passiert, nahm damals seinen Anfang.

1805 wurde die Luchsburg zu Ehren der allseits geliebten preußischen Königin Luise umbenannt in Luisenburg: die Königin hatte eine kindliche Freude daran, sich kriechend durch die engen Gänge und Höhlungen zwischen den Felsen zu zwängen. Diesen Gang kann man heute noch nachvollziehen, ein wenig beweglich muss man schon noch sein, selbst für die blau-rot markierte Standardroute. Viele Zeitgenossen meißelten das Entzücken, das sie hier empfanden, in den Stein, etliche Inschriften sind tadellos erhalten. Eine Generation später mokierte man sich über diese Verschandelung der Natur, so z.B. Wilhelm Müller, der Volksliederdichter aus Dessau, der 1827 diese Inschriften als „sentimentale Notdurft in Prosa und Versen“ beschrieben hat. Die Naturschutzidee dämmerte herauf und mit ihr das Motto „take only pictures, leave only footprints“, das wir gerne beherzigen.

So erschiene es mir auch zeitgemäß, der Luisenburg wieder ihren alten Namen zurückzugeben: Luchsburg beschreibt viel zutreffender dieses Areal, das tatsächlich beschaffen ist wie das Traum-Habitat von Luchsen. Die werden ob des Besucherandrangs hier zwar kaum mehr heimisch werden, aber vielleicht dient es der Sensibilisierung für die Belange der Natur (oder ist das nur eine weitere Romantisierung)?

In der um 1800 ebenfalls üblichen Schreibweise „Luxburg“ schwingt noch eine weitere Assoziation mit: der mühsame Weg durch die Felsen, aus den Höhlen hinaus und auf den Berg hinauf ins Licht - der Erkenntnis. Jean Paul, aus Wunsiedel stammender Dichter, hat dies thematisiert und sich als Sohn der „lichten Stadt“ bezeichnet - Der Weiterweg zur Kösseine ist ab dem Burgsteinfelsen nicht mehr sonderlich spektakulär aber zum Auslaufen (und Nachdenken) gut geeignet.

(06.02.2022) In den vergangenen Tagen war zu lesen, dass der Vizepräsident des Bayerischen Jagdverbandes, der selbst ausgedehnte Wälder im Steinwald südlich des Fichtelgebirges bewirtschaftet, sich für eine Revision des „in die Jahre gekommenen“ Managmentplans für die Luchse ausspricht. Dieser Plan sieht zwar vor, dass Luchse sich ausbreiten dürfen, wenn es ihnen denn gelingt, es soll aber keine aktive Förderung oder gar Auswilderungen geben. Ende 2020 wurde berichtet, dass es im Steinwald offenbar Luchsnachwuchs gegeben hat.

Jungluchse im Steinwald, Quelle: Bayerische Staatsforsten/Landesamt für Umwelt
Luchsfamilie im Steinwald 2020 - Bild: Bayerische Staatsforsten/Bayerisches Landesamt für Umwelt

Herr von Gemmingen-Hornberg  habe ein Luchs-Faible, heißt es bei den Jägern - jedenfalls scheint er kein Problem damit zu haben, dass die Luchse in seinen Wäldern Rehe jagen und ihn so dabei unterstützen, einen gesunden Wald aufzubauen. Andere Teile der aktiven Jägerschaft und auch der Präsident des Jagdverbandes Vocke sehen das anders und wollen am Status quo festhalten. In der Jägerpresse ist sogar zu lesen, dass der Luchs „mittlerweile mancher Orts verbrannte Erde“ hinterlasse, weil er sich so langsam ausbreite und folglich erst einmal an seinem Standort alle Rehe verputze und sogar nachts schon in die Dörfer schleiche, um Katzen zu jagen - bei einem Gesamtbestand in Bayern von aktuell 70 erwachsenen Luchsen und knapp 30 Jungtieren? Jägerlatein würde ich sagen, um alte Ängste zu schüren und Pfründe zu sichern: jährlich werden in Bayern 300.000 Rehe geschossen. Oder erst recht ein Argument dafür, die Ausbreitung zu unterstützen, also den Bestand besser in der Fläche zu verteilen? 
Die Zeiten, wo wir uns einfach so aus der Natur bedient haben, jagenderweise zum Beispiel, sollten endlich vorbei sein. Den Luchs als Wildhüter und Waldförderer zu beschäftigen, hat dagegen Zukunft. Im Steinwald hat man das offenbar verstanden, dennoch bleibt Aufklärung ein mühsames Geschäft.