Die diesmalige Abschlussetappe ist noch einmal eine Weinbergtour par excellence, abwechslungsreich, durch immer steilere Weinberge und in ziemlicher Hitze. Ganz am Ende noch lockeres Auslaufen am Rhoneufer auf das Rhoneknie zu und nach Martigny hinein.

Auch die heutige Etappe ist weitgehend identisch mit dem Chemin du Vignoble, 1. Etappe (36) Die Route beginnt ziemlich unspektakulär, um dann bis Branson immer eindrucksvollere Landschaftserlebnisse zu bieten. Insbesondere im Gemeindegebiet von Fully kann man wandernderweise tief eindringen in die Weinbaukultur, kann mit den Füßen erspüren, was es heißt, in dieser Landschaft Wein anzubauen. Welche Mühen das macht, welche Hitze man hier aushalten können muss. Wie schon die Tage davor begegnen wir unterwegs fast nur Portugiesen, die hier die tägliche Arbeit in den Weinbergen verrichten. Es heißt, sie hätten sich das Wallis als Arbeitsplatz erkoren, weil sehr Vieles ähnlich sei wie zuhause, das Klima, die Landschaft, die Sprache - nur das Gehalt ist wesentlich besser.

Ab Saillon wandern wir zunächst ein gutes Stück in der Rhoneebene, an Bewässerungskanälen entlang, an Gemüsegärtnereien und Obstplantagen vorbei. Erst bei Mazembroz zweigt der Weg in die Weinberge ab. Nahe am Ort führt der Pfad am Fuß der Hanglagen mitten hindurch. In der sonnenheißen Lage von Les Perches wird z.B. die Petite-Arvine-Rebe angebaut, die einen wunderbaren Weißwein ergibt. Wir streifen das Dorf Châtaignier, das die regionaltypischen Kastanienbäume im Namen führt, und treffen kurz vor Fully auf die "Belle Usine". Das Turbinenhaus eines Kavernenkraftwerkes wurde 1914 errichtet und gilt wegen seiner prächtigen Architektur als "Industrie-Kathedrale". Heute wird es zusätzlich auch als Kulturzentrum genutzt.

Gleich danach erwartet uns eine weitere Besonderheit, die uns die regionale Kulturgeschichte näher bringt: die Gemeinde Fully unterhält einen der letzten öffentlichen Kastanienhaine (châtaigneraie) im Wallis, 17 ha groß mit rund 1000 Bäumen. Die Anpflanzung von Kastanien begann um 1200, sie waren früher als "Brot der Armen" ein wichtiges Nahrungsmittel. Ein didaktischer Pfad informiert über die Geschichte und Verwendung der Kastanien und es gibt naturkundliche Veranstaltungen. Im Oktober zur Erntezeit darf jeder sammeln gehen und Fully feiert ein großes Kastanienfest. Das Gelände wird beweidet, derzeit von Lamas und Alpakas.

Es folgt ein kurzer Straßenabschnitt, bevor wir wieder in die Weinbergterrassen entschwinden können. Auf das Rhoneknie zu werden sie hier immer steiler und schmaler. Der Höhepunkt ist jedoch der Weinberg der Combe d'Enfer. Er schmiegt sich in eine Hangmulde wie ein antikes griechisches Theater und ist nach Südosten ausgerichtet: ein idealtypischer Weinberg, in dem sich die Sonnenwärme fängt und sammelt und wo beste Weine der Sorten Humagne Rouge, Cornalin oder Syrah gedeihen.

Bald erreichen wir Branson und verzichten auf einen letzten Umweg durch die Weinberge, steigen stattdessen das kurze Stück an der Straße hinunter ins Tal. Erst überqueren wir auf einer neuen Fußgängerbrücke den Canal de Fully, dann wechseln wir ans südliche Ufer der Rhone und schwenken ein auf den Uferweg in Richtung Rhoneknie. Beim Knie unterqueren wir die Autobahn und gehen am Ufer der Dranse hinein nach Martigny. Waren wir eben noch in den stillen Weinbergen unterwegs, ist die Luft hier erfüllt vom Grundrauschen des Verkehrs. Straßen und Bahnen, alles kreuzt und verschlingt sich hier auf engem Raum. Aber so ist Martigny eben auch ein idealer Start- und Zielort für längere Touren. Diesen Abschnitt unserer Grand Tour durch die Alpen beschließen wir am Bahnhof. Das nächste Mal geht es dort weiter in Richtung Mont Blanc.

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