Durch Weinberge und Wiesen steigen wir hinauf auf die Höhe und folgen lange dem schönen und schattigen Grand Bisse de Lens, um dann (wegen der großen Hitze früher als geplant) nach St. Léonard abzusteigen und das letzte Stück nach Sion entspannt mit der Bahn zu absolvieren.

Eigentlich folgen wir nun mehr oder weniger dem "Chemin du Vignoble" (CdV, 36), doch heute wollen wir ein gutes Stück davon abweichen, aus mehreren Gründen. Es soll heiß werden und die heutige Etappe würde ausschließlich im Tal durch schattenlose Weinberge führen; keine so gute Idee, wie selbst Ortskundige meinen. Als abschnittsweise schattige Alternative bietet sich die schöne Strecke am Grand Bisse de Lens entlang an, ein alter Bewässerungskanal, der rund 500 m höher am Hang entlang verläuft und wo sich nebenbei auch noch schöne Ausblicke über das Rhonetal ergeben. Man muss halt erst einmal hinaufsteigen, aber das lohnt sich allemal. Erneut ist Rilke unser Gewährsmann: „Das war wie ein Spaziergang, mühelos und fast ohne Ziel, der uns an jeder Wegbiegung Freude bereitete und uns überraschte," berichtete er von einem Ausflug nach Lens am 30. September 1921. Wie recht er hat.

Als wir Sierre verlassen, passieren wir am Ortsrand die Kapelle Saint Ginier in Villa, Sie ist eine der ältesten erhaltenen Kulturstätten im Wallis, spätestens im 2. Jh. n. Chr. von Römern besiedelt. Die Kapelle stammt in Teilen aus dem frühen Mittelalter (ca. 7. Jh.) und vermittelt, in den Weinbergen liegend, noch immer einen archaischen Eindruck. Dahinter geht es anfangs etwas steiler durch die Weinberge, später sanfter am Hang entlang in Wiesen und Wald hinauf, bis wir bei Chermignon d'en Bas den Bisse de Lens erreichen.

Die Suone von Lens wurde um 1450 errichtet und leitet das Wasser der Lienne um den Châtelard-Hügel herum in die nordseitigen Rhonehänge zwischen Lens und Sierre. Entsprechend flach steigt nun der Pfad entlang des Kanals an, zumeist im angenehm kühlen Laubschatten - tatsächlich ein Spaziergang. Unterhalb der Christ-Roi-Statue (die wir geflissentlich ignorieren) lichtet sich der Wald und es ergeben sich schöne Ausblicke auf die Gegend um Saint Léonard und Sion bis zum Rhoneknie.

Am südwestlichen Sporn des Châtelard gibt es zwei Möglichkeiten für den Weiterweg: ist genügend Zeit und ist es nicht zu sonnig oder heiß, empfiehlt sich die längere Route hinein in das Tal der Lienne und auf der gegenüberliegenden Hangseite durch wunderbare Weinbergterrassen bis nach Sion. Alternativ kann man im Wald ziemlich direkt nach St. Léonard absteigen und dann auf dem CdV nach Sion wandern oder das letzte Stück auch mit der Bahn fahren. Weil es so heiß war, haben wir uns für letztere Variante entschieden. Das gab uns auch noch die Möglichkeit, in aller Ruhe Sion zu erkunden, einer unerwartet interessanten und lebendigen Stadt. Sion ist berühmt für seine wirklich malerische Lage in einem Meer von Reben unter den burgengekrönten Zwillingsfelsen Valeria und Tourbillon, mit steilen Rebterrassen, die zu den steilsten der Welt gehören. Aber Sion (dt. Sitten) ist vor allem auch die Hauptstadt des Kantons Wallis und eine junge und moderne Stadt. Schon heute wird dort der öffentliche Verkehr im historischen Stadtzentrum von einem autonom fahrenden kleinen Elektrobus der Schweizer Post bedient. Chapeau!

TC2 | T2 | Tourdetails + Fotos 

Fußläufig bis Sion + ca. 10 km