Auf dem alten "Gemmiweg" wandern wir zurück ins Rhonetal, erst durch blühende Bergwiesen, dann durch Berg- und Flaumeichenwald bis in die Weinberge von Varen und Salgesch, über die Sprachgrenze an der Raspille bis nach Sierre, dem vielleicht sonnigsten Ort der Schweiz.

Aus dem hochgelegenen Bergkessel von Leukerbad steigen wir hinunter in die Weinberge des Rhonetals und erleben eine sehr kurzweilige Tagesetappe, die uns auf wenigen Kilometern durch die unterschiedlichsten Landschaften führt. Wieder wechseln sich Fußpfade, breitere Fahrwege und kurze Straßenabschnitt munter ab, ohne dass es jemals eintönig würde.

Wir beginnen mitten in Leukerbad, wechseln ans westliche Ufer der Dala und wandern auf dem alten "Gemmiweg" talabwärts. Vor dem Bau von Bahnlinie und Straße durch die Dalaschlucht war der Gemmiweg von Siders über Varen und Leukerbad zum Gemmipass und weiter nach Kandersteg eine wichtige fußläufige Verbindung vom Wallis ins Berner Oberland. Auch J.W. Goethe absolvierte, nur in Begleitung seines Freundes Herzog Carl August von Weimar, am 9.11.1779 diese Strecke "nach dem Leucker Bad. schöne Aussicht ins Wallis, beschweerlicher Weeg [...] bösen Felsgang" notierte er in seinem Tagebuch. Als "Kulturweg Dala Raspille" ist der Weg heute wiederbelebt und, gerade bergab, nicht mehr sonderlich beschwerlich. Erst geht es durch weite Wiesen unterm steil aufragenden Daubenhorn. Im hübschen Weiler Birchen liegt am Weg die Kapelle des Hl. Antonius von Padua von 1705, mit schönem Blick zurück zum Balmhorn (3698 m) ob Leukerbad. Nachdem 1719 ein Lawinenabgang viele Todesopfer forderte, entwickelte sich diese Kapelle zum lokalen Pilgerziel.

Unterhalb von Birchen verschmälert sich das Tal allmählich zur Schlucht, tief unten fließt nun die Dala, während wir noch auf der Höhe bleiben. Die Wiesen weichen dem Bergwald, schattig und oft feucht. Kurz vor Inden treffen wir auf die Trasse der ehemaligen Bahnlinie, die bereits 1967 stillgelegt wurde. Das Bahnhofsgebäude steht noch und ist als Laden umgenutzt. Auf der drüberen Hangseite drängen sich die dunklen Häuser von Albinen dicht zusammen um die helle Kirche, wie eine Herde Schafe um ihren Hirten.

Nun führt uns der Weg in den felsigen Steilhang, den "bösen Felsgang", wie Goethe schrieb. Der Berglaubwald wird von lichtem Kiefernwald abgelöst und vor uns erhebt sich die Felswand der Varnerleitern. Früher musste man hier tatsächlich waghalsig hindurchsteigen, die Möglichkeit besteht immer noch, aber man kann auf gut trassiertem Wanderpfad das Hindernis auch einfach umgehen. Und schon treten wir hinaus in die warmen Hänge über der Rhone, gehen durch südlichen Flaumeichenwald zügig hinunter nach Varen und mitten hinein in seine Weinberge, die zwischen 500 und 800 m hoch liegen. Einen malerischen Kontrast bildet der Tiefblick vom Ort auf die Wildnis des Pfynwaldes.

In Varen beginnt die Weinbergwanderung, die uns die nächsten Tage bis nach Martigny am Rhoneknie führen wird. Der Weg nach Salgesch führt durch die Terrassen mit ihren teils gut 3 m hohen Trockenmauern. Salgesch ist der bedeutendste Weinort des Oberwallis, mit einer Weinbautradition, die weit ins Mittelalter zurückreicht. Und weil Salgesch auf unserer Tour die letzte Station im deutschen Sprachraum ist, liegt es nahe, hier einzukehren, auf einer weinumrankten Terrasse eine Kleinigkeit zu essen, selbstverständlich mit passender Weinbegleitung, und die Etappen bis hierher Revue passieren zu lassen.

Stärkung kann nicht schaden, denn hinter Salgesch geht es kurz aber ziemlich steil über einen Höhenrücken und dann in das felsig eingeschnittene Tal der Raspille, die hier am Hang die Sprachgrenze zur Romandie bildet. Jenseits folgen wir einer Suone, die nun Bisse heißt, im schattigen Wald talauswärts. Der Blick fällt auf die "Pyramiden", eine pittoresk erodierte Felsformation im Steilhang über dem Bach. Schließlich geht es noch ein kurzes Stück durch sonnenwarme Weinberge hinein nach Sierre oder Siders, einer traditionell zweisprachigen Stadt, wobei heute das Französische die Oberhand hat. Das Städtchen gilt als der trockenste und einer der sonnigsten Orte der Schweiz. "Die Gegend hier hat etwas Spanisches und Provenzalisches" schrieb treffend der Dichter Rainer Maria Rilke, der lange im Wallis lebte. Wer mehr über Rilke und seine Zeit im Wallis erfahren möchte, kann die Fondation Rilke in Sierre besuchen.

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