Den neuen Abschnitt unserer Weitwanderung durch die Alpen, der uns diesmal durch das Walliser Rhonetal führt, starten wir mit einer Genusstour entlang der Südrampe der Lötschbergbahn, zwischen südlich anmutender Berglandschaft und herausragenden Bauwerken der Ingenieurskunst von vor 100 Jahren.

Der Wanderweg entlang der Südrampe der Lötschbergbahn (BLS) wird klassisch bergabwärts von Hohtenn nach Brig begangen, in 2-3 Tagen. Ein besonders schönes Teilstück ist der Weg vom Bietschbachtal mit der Bietschtalbrücke bis nach Ausserberg. Weite Aussichten über das Rhonetal, berühmt für die reichhaltige Flora und Fauna mit ihrer submediterranen Prägung. Dazu die Suonen, Wasserfassungen und die Bahn mit ihren Brücken, Tunneln, Hilfsbauwerken. Ein Paradies für Botaniker, Zoologen, Trainspotter, Augenmenschen. Da kann man viel Zeit verbringen... Eine absolut kurzweilige Wanderung, die hinter jeder Biegung neue Überraschungen bereit hält.

Wir starten am Bahnhof in Ausserberg, gehen bergaufwärts, weil unsere Route uns nach Südwesten führt. Bis zum Bahnhof Hohtenn, wo die Bahnstrecke ins Lötschental abbiegt, überwindet sie ab Endbahnhof Brig auf 20 km Streckenlänge 400 Höhenmeter: für den Bau einer Bahnlinie eine technische Herausforderung, für den Wanderer ein meist angenehmes Höhenprofil. Zunächst müssen wir dennoch am Dorfrand erst einmal etwas steiler aufsteigen, bevor wir den Hangweg erreichen und dann durch Wiesen und Steppen, unterbrochen von kurzen Waldabschnitten, aussichtsreich loswandern. Oberhalb von St. German begleitet uns ein Stück weit eine alter, aus Baumstämmen herausgearbeiteter Bewässerungskanal, eine Suone, der das Wasser von den Gletschern in die trockenen Hangwiesen und Gärten lenkt.

Nach dem schönen Aussichtspunkt am Riedgarten geht es hinein in das schluchtartig sich verengende Bietschtal. Dort überspannt die wohl schönste Brücke der Bahnstrecke die Schlucht des Bietschbaches in 78 m Höhe und auf einer Länge von 136 m, eine Stahlkonstruktion, errichtet 1910-13. Die Stahlteile wurden dabei nur mit Nieten verbunden, nicht geschweißt. Technisch besonders fordernd war die Beherrschung der Kräfte bei der kurvenförmigen Gleisführung (Radius 300 m) bei gleichzeitiger Steigung. Man kann die Brücke zu Fuß überqueren, noch eindrucksvoller ist aber die Umrundung auf dem etwas längeren Weg, der weiter in die Schlucht führt (Via Alpina-Route) mit tollen Ausblicken auf die Brücke aus wechselnden Blickwinkeln. Dort ist an einer steileren Passage ein Mindestmaß an Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erforderlich.

Entlang des Südrampenwegs hat die Bahngesellschaft BLS an verschiedenen Stellen Infopunkte eingerichtet, so auch oberhalb von Raron mit einem "gefassten" Blick durch ein fiktives Fernrohr: Er gilt dem Dichter Rainer Maria Rilke, der auf eigenen Wunsch auf dem kleinen Friedhof der Burgkirche begraben wurde (1926). An der Querung des Jolibaches wird eine Suone aus dem Bach abgeleitet. Kurz vor Hohtenn passieren wird das Luegelkinn-Viadukt, ein weiteres imposantes Brückenbauwerk mit hohen Steinpfeilern. Die ursprünglich eingleisige Brücke wurde beim 2-spurigen Ausbau der Lötschbergbahn in den 1980er Jahren ebenfalls verbreitert, erkennbar an dem schmäleren Bauteil ohne die Balkenauflagen für die Bogenkonstruktion der alten Brücke.

Am Bahnhof Hohtenn, hoch und einsam über dem Ort gelegen, endet der Südrampenweg und wir steigen erst durch Wiesen dann durch die Ortschaft wieder hinunter ins Rhonetal, nach Gampel, eher städtisch geprägt, aber berühmt für sein traditionsreiches Sommerfestival mit internationalen Musikern aus Pop und Rock.

Das Tagesziel in Jeizinen liegt noch einmal 900 Höhenmeter über dem Talboden, ein steiler Bergweg oder eine kurze Fahrt mit der Gondel. Der fortgeschrittene Tag und unsicheres Wetter lässt uns die Gondel wählen, aber ein Gewitter fegt durchs Tal und der Betrieb ist unterbrochen. Das Glück ist uns hold und ein zufällig vorbeikommender Mitarbeiter der Bergbahn, der oben in Jeizinen wohnt, nimmt uns im Wagen mit.

TC2 | T2, überwiegend Bergwege, kurze Abschnitte auf Fahrwegen | Tourdetails + Fotos

Route entspricht Via Alpina R97, Walliser Sonnenweg (61) und Südrampenweg.

Übernachtung: Hotel Restaurant Bielti