Transsekt Siedlungsgeschichte: eine Wanderung von der romanischen Talkultur zu den Höhensiedlungen der Walser.

Ausnahmsweise absolvieren wir heute ein Teilstück mit der Bahn, das restliche Programm ist noch fordernd genug. Auf diese Weise kommen wir in den Genuss, den Streckenabschnitt über das Landwasserviadukt zu befahren und so noch ein paar Eindrücke aus der Albulabahn heraus mitzunehmen. Ab Tiefencastel erwartet uns dann eine Wanderung mit zwei deutlich unterschiedlichen Gesichtern: zunächst eine Wiesenwanderung im romanisch geprägten Albulatal bis zum Soliser Viadukt, dann ein langer Aufstieg durch Wald und Wiesen hinauf in das Siedlungsgebiet der deutschsprachigen Walser bis nach Obermutten (1.863 m) in einer Wiesenmulde hoch oben in den Bergen. Selten kann man dieses besondere, für das Ausbreitungsgebiet der Walser so typische Siedlungsmuster auf so engem Raum noch so deutlich ausgeprägt erleben. Als die Walser im Mittelalter einwanderten, waren die Täler längst besiedelt, nicht (regelmäßig) jedoch die Höhenlagen, für die sie spezielle Bewirtschaftungsformen entwickelt hatten, die ihnen ein Auskommen dort sicherten.

Von Tiefencastel folgen wir zunächst der Ausschilderung "Via Sett/64" talabwärts. Nach kurzer Zeit taucht aus dem üppig-dichten Wald ein fast exotisch wirkender Bau auf: die Kirche St. Peter Mistail. Errichtet in einsamer Lage über der Albulaschlucht um 800 oder sogar früher, stammt sie noch aus karolingischer Zeit. Neben ihres enormen Alters weist sie auch eine architektonische Besonderheit auf: der Dreiapsidensaal, ein ungegliederter flachgedeckter Rechteckraum, der im Osten durch drei hufeisenförmige, mit einer Halbkuppel überwölbte Räume abgeschlossen wird, ist ein Bautyp, der mutmaßlich von frühchristlichen Bauten im Orient abstammt. Im Inneren Fresken aus verschiedenen Epochen, teils nur noch als Fragmente. Ein stiller und fast magischer Ort in der Waldwildnis.

Vorbei am malerisch gelegenen Gehöft bei der Kirche geht es noch ein Stück durch den Wald, dann passieren wir auf Wiesenwegen das auf einem Hügel gelegene Dorf Alvaschein und steigen hinunter zu dem Punkt, wo der Soliser Viadukt die tief eingeschnittene Schin-Schlucht überspannt, die höchste und weitestgespannte Steinbrücke der Albulabahn, erbaut 1902. Touristischer Anziehungspunkt mit kleiner Gastronomie, Gelegenheit sich zu stärken vor einem ausgedehnten Anstieg von 1.000 m.

Wiesen- und Waldpartien, Wirtschaftswege und Fußpfade wechseln sich ab. Im unteren Teil streifen wir noch Höfe mit romanischen Namen, nach einem längeren Abschnitt im Wald durch den Muttener Tobel erreichen wir in Mutten das Siedlungsgebiet der Walser, die hier im 14. Jh. vom Berg her einwanderten. Unser Ziel Obermutten liegt in einer natürlichen Einsattelung zwischen der Muttner Höhi und dem Muttner Horn, geschützt und doch mit weitem Ausblick. Das ganzjährig bewohnte Haufendorf gehört wegen seiner historischen Siedlungsstruktur und Bausubstanz zum Inventar der Ortsbilder von nationaler Bedeutung. Dazu gehört auch die vollständig aus Holz gebaute Kirche von 1718, einzigartig in der Schweiz. Seit 2014 gibt es mit der Kulturtenn, einem umgebauten Heustadl, einen Gemeinderaum mit Selbstbedienungsladen.

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Übernachtung: Gasthaus Post